20. März 2018

Sonderschulen unter dem Dach der Volksschule

Sonderschulen sollen im Kanton Bern künftig nicht mehr ein von der öffentlichen Schule getrenntes System sein. Der Grosse Rat hat am Dienstag einem Bericht zugestimmt, der vorsieht, dass Sonderschulen unter das Dach der Volksschule kommen. Für betroffene Eltern dürfte dies zu einer Entlastung führen.
Sonderschulen sollen unter das Dach der Volksschule kommen, sda, 20.3.


Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung oder psychosozialen Beeinträchtigung haben Anrecht auf Sonderschulung. Bis anhin wurden betroffene Kinder jedoch aus der Volksschule "ausgeschult". Für sie war danach die Gesundheits- und Fürsorgedirektion zuständig.
Die Entlassung aus der Volksschule bedeutete insbesondere auch, dass die Eltern für die Kinder nun selber einen geeigneten Platz in einer sonderpädagogischen Institution suchen mussten. Für die meisten der ohnehin schon stark belasteten Eltern war diese eine weitere schwere Bürde.

Neu wird nun die Volksschule einen Platz für die betroffenen Kinder suchen. Dies soll in Absprache mit Eltern und Institutionen geschehen, wie Erziehungsdirektor Bernhard Pulver am Dienstag vor dem Grossen Rat versprach.

Die Schulinspektorate verfügen dann, in welche Institution ein Kind kommt oder ob es in einer Regelklasse integriert wird. Wird man sich nicht einig, kann der Staat notfalls die Verfügung durchsetzen. Dies werde aber nur in Ausnahmefällen nötig sein, betonte Pulver.

Keine "Integrationswelle"
Im Kanton Bern erhalten aktuell rund 2600 Kinder und Jugendliche Sonderschulbildung. Davon besuchen rund 2100 eine Sonderschule, die restlichen knapp 500 sind in der Regelschule integriert.

Auch mit dem neuen System wird es weiterhin Sonderschulen und Regelschulen geben, wie Erziehungsdirektor Bernhard Pulver am Dienstag vor dem Grossen Rat betonte. Und auch am Verhältnis von Kindern in Sonderschulen und solchen, die in Regelschulen integriert werden, soll sich nichts verändern.

Der Kanton wolle keine "Integrationswelle" auf die Regelschulen loslassen, versprach Pulver. Vielmehr gehe es darum, dass Sonderschulung in Zukunft auch als Bildung verstanden werde.

Standardisierte Abklärung
Welche Kinder und Jugendlichen Anspruch auf Sonderschulbildung haben, wird neu mit einem standardisierten Abklärungsverfahren ermittelt. Die Erziehungsberatungsstellen führen dieses durch. Eltern, Kinder und Schulen sollen in den Entscheid eingebunden werden.
An der Finanzierung der Sonderschulen ändert sich nichts. Via Lastenverteiler tragen der Kanton und die Gesamtheit der Gemeinden je 50 Prozent der Kosten. Mit der neuen Regelung werden die Anstellungsbedingungen der Sonderschullehrkräfte jenen der Regellehrkräfte angeglichen.

Heime müssen neu zwei Leistungsverträge abschliessen, einen für die Leistungen der Sonderschulbildung mit der Erziehungsdirektion und einen für die sozialpädagogischen Betreuungsleistungen inklusive Pflege mit der Gesundheits- und Fürsorgedirektion.

Lehrplan nach unten erweitern
Damit die neue Strategie Sonderschulbildung umgesetzt werden kann, muss das Volksschulgesetz revidiert werden. Der Grosse Rat gab der Regierung diesbezüglich mehrere Planungserklärungen mit auf den Weg. So soll beispielsweise der neue Lehrplan möglichst rasch mit den spezifischen Bedürfnissen der Sonderschulen ergänzt werden.

Der Lehrplan 21, der ab kommendem Sommer schrittweise eingeführt wird, sieht für die drei Zyklen der Schulzeit verschiedene Kompetenzstufen mit entsprechenden Anforderungen vor.
Für Sonderschulen sei dies durchaus nützlich, betonte SP-Grossrätin Christine Blum. Der Lehrplan 21 müsse aber "nach unten" erweitert werden. Für Schülerinnen und Schüler, die die Kompetenzstufen im ersten Zyklus nicht erfüllten, müssten Anforderungen unterhalb der Regelschulen formuliert werden. Dies müsse rasch geschehen.

Im Grundsatz zeigte sich der Rat sehr zufrieden mit dem Sonderpädagogikbericht der Regierung. Ohne Gegenstimme und Enthaltung nahm der Rat den Bericht mit 147 Stimmen zur Kenntnis.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen