20. September 2017

Wie sinnvoll ist die Grundstufen-Ausbildung?

Wenn eine Zürcher Kindergärtnerin bis anhin voll gearbeitet hat, bekam sie nur 87 Prozent eines vollen Lohnes. Da liegt der Verdacht nah, dass hier die Löhne in einem Frauenberuf absichtlich tief gehalten, dass Kindergärtnerinnen wegen ihres Geschlechts ­diskriminiert wurden. Umso mehr, als die Primarlehrerinnen und -lehrer in einer höheren Lohnklasse bei vollem Pensum auch einen ganzen Lohn bekommen.
Der Job wird nicht attraktiver, Tages Anzeiger, 19.9. von Daniel Schneebeli


Stossend scheint auch, dass die Kindergärten seit knapp zehn Jahren zwar offiziell zur Schule gehören, dieser Aufstieg auf dem Papier hat den Beruf der ­Kindergärtnerin aber nicht aufgewertet. Darum ist es verständlich, wenn die Kindergärtnerinnen vor dem höchsten Gericht für bessere Löhne kämpften.

Nun haben sie den Kampf verloren. Für das Bundesgericht ist die derzeitige Entlöhnung nachvollziehbar. Im Vergleich mit den Primarlehrern müssen Kindergärtnerinnen vier Lektionen pro Woche weniger geben, zudem sind die Zulassungsbedingungen zur Ausbildung noch weniger streng. Die angestrebte Gleichstellung würde womöglich neue Unzufriedene hinterlassen: die Primarlehrerinnen und -lehrer.

Selber für die Niederlage verantwortlich?
Bessere Chancen hätte die Lohnklage gehabt, wenn in Zürich 2012 die Grundstufe eingeführt worden wäre. In diesem Schulmodell war eine Verschmelzung von Kindergarten und Schule vorgesehen. Kindergärtnerinnen hätten mit den Lehrerinnen in den gleichen Klassen gearbeitet, was ihr Jobprofil aufgewertet hätte. Doch gegen diese Reform haben sich die Kindergärtnerinnen gewehrt und vom Volk recht bekommen. Darum haben sie die gestrige Niederlage ein Stück weit selber zu verantworten. Der Kanton Zürich geht als Sieger aus dem Streit hervor, und es bleiben ihm Lohnkosten in Millionenhöhe erspart. Grund zum Zurücklehnen gibt es aber nicht.

Denn der Job der Kindergärtnerin ist nicht ­attraktiver geworden, und in den Kindergärten ist das Personal heute schon knapp. Es stellt sich etwa die Frage, ob es weiter Sinn macht, an der Pädagogischen Hochschule eine Grundstufenausbildung anzubieten, obwohl es im Kanton Zürich gar keine Grundstufe gibt. Dieser Studiengang soll potenzielle Kindergärtnerinnen fit für die Schule machen. 


1 Kommentar:

  1. Leserkommentar Tages Anzeiger online von Edith Wernli.
    "Wenn eine Zürcher Kindergärtnerin bis anhin voll gearbeitet hat, bekam sie nur 87 Prozent eines vollen Lohnes."
    Guess what: die Arbeitszeit eines/r Kindergärtners/in beträgt auch nur 87% desjenigen einer Primarschulperson. Der Stundenlohn ist identisch. Gleich viel Lohn für weniger Arbeit? Das ist nicht mein Verständnis von Gleichberechtigung!

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