25. September 2017

Trotz Luzerner Entscheid brodelt die Sprachenfrage weiter

In Luzern lernen die Primarschüler weiterhin Französisch und Englisch. Die Gegner des Frühfranzösisch scheiterten damit in einem weiteren Kanton mit einer Volksinitiative.
Es ist eine ganze Kaskade von Abstimmungen, die in der Schweiz in den letzten Jahren für heftige Emotionen gesorgt haben. Am Sonntag hatten die Stimmberechtigten des Kantons Luzern zu entscheiden, ob in Zukunft nur noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe gelehrt werden sollte. Ihr Verdikt fiel gleich aus wie bei allen bisherigen Plebisziten: Die Volksinitiative «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe» wurde mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 57,6 Prozent abgelehnt. Die Stimmbeteiligung lag bei 50,3 Prozent.
Luzern wird nicht zur Sprachinsel, NZZ, 25.9. von Erich Aschwanden


Ja in ländlichen Gebieten
Somit wird in Luzern weiterhin Englisch ab der 3. Klasse unterrichtet und in der 5. Klasse mit Französisch begonnen, wie in der übrigen Zentralschweiz. Luzern wird nicht zur Sprachinsel. Doch das Volksverdikt im grössten Innerschweizer Kanton fiel weniger deutlich aus als im Mai in Zürich, wo die Ablehnung einer Initiative mit ähnlicher Stossrichtung bei über 60 Prozent lagAuch im Kanton Nidwalden lag die Zustimmung für zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe vor zweieinhalb Jahren höher. Der vergleichsweise hohe Ja-Anteil könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich neben dem Lehrerverband auch der kantonale Gewerbeverband für die Volksinitiative ausgesprochen hatte.
Eine Analyse der Resultate zeigt, dass das Volksbegehren in ländlichen Gebieten durchaus Anklang fand, während es in städtischen Regionen keine Chance hatte. In den Gemeinden des Entlebuchs konnten die Initianten eine Ja-Mehrheit einfahren, und auch im Hinterland war die Zustimmung vergleichsweise gross. Eine klare Abfuhr erteilten die Stimmberechtigten der Vorlage hingegen in der Stadt Luzern mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 66,3 Prozent.

Austausch wird erleichtert

Befriedigung herrschte nach dem teilweise emotional geführten Urnengang beim Luzerner Regierungsrat. «Die Luzerner Schülerinnen und Schüler sollen weiterhin schon in frühen Jahren mehrsprachige Erfahrungen machen können und dieselben Chancen haben wie Lernende in anderen Kantonen», erklärte Bildungsdirektor Reto Wyss (cvp.). Das erleichtere massgeblich den Austausch auf den einzelnen Stufen, zum Vorteil der Kinder.
Das klare Abstimmungsergebnis ist laut Wyss auch angesichts der chronisch angespannten Finanzsituation Luzerns günstig: Eine Abkehr vom heutigen Konzept hätte eine umfassende Reform nach sich gezogen, die sich in der Überarbeitung von Lehrmitteln und Wochenstundentafeln bis hin zur Lehrerausbildung niedergeschlagen hätte.

Enttäuscht über Regierung

Beim Initiativkomitee zeigte man sich enttäuscht über die Rolle, die der Luzerner Regierungsrat im Abstimmungskampf gespielt hatte. «Die Regierung hat sich sehr manipulativ verhalten, indem sie damit drohte, den Englischunterricht auf die Oberstufe zu verschieben», ärgert sich SVP-Kantonsrätin Barbara Lang in einer ersten Reaktion. Angesichts der massiven Propaganda sei das Resultat nicht schlecht ausgefallen.
Die Initianten hatten es bewusst offengelassen, welche der beiden Fremdsprachen in Zukunft auf die Sekundarstufe verschoben werden sollte. Doch es war klar, dass sich das Begehren gegen das Frühfranzösisch richtete. «Dem Initiativkomitee ging es um das Wohl der Kinder, der Lehrer und der Eltern. Für die Gegenseite stand die Machtfrage im Zentrum», sagt Lang. Gegen das Schlagwort des nationalen Zusammenhalts, das von der Gegenseite immer wieder bemüht worden sei, komme man nicht an.

Nach dem Urnengang im Kanton Luzern steht ein ähnlicher Entscheid noch die Graubünden an. Dies, nachdem das Bundesgericht im Mai die Bündner Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule» für gültig erklärt hatte. In diesem Kanton ist die Frage noch heikler als anderswo, geht es doch in Graubünden nicht nur um Englisch oder Französisch. Im Kanton Zug hat das Parlament vor kurzem eine Motion von SVP und FDP überwiesen, die von der Exekutive eine Vorlage für die Abschaffung des Frühfranzösisch verlangt. So schnell wird also in der Sprachenfrage keine Ruhe einkehren.


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