9. August 2017

Verlage und PH profitieren von Bildungsreformen

Als im Baselbiet das englischsprachige Lehrmittel «New World» dem Bildungsrat vorgestellt wurde, musste er es durchwinken. Eine Alternative lag nicht vor. Ähnliches berichtete ein Mitglied der Lehrmittelkommission, als unter dem früheren Bildungsdirektor Urs Wüthrich das umstrittene «Mille feuilles» und das Folgelehrmittel an der Sekundarschule, «Clin d’œil», vorgelegt wurden: «Man konnte es weder evaluieren noch besprechen.» Die sechs Partnerkantone, die dem Gebilde Passepartout angeschlossen sind, führten das Lehrmittel mit DVD, sieben Begleitheften, Faltkarten und dergleichen pro Schuljahr (!) auf Empfehlung ihrer Entwickler eigenmächtig ein.
Das Millionengeschäft mit den Bildungsreformen, Basler Zeitung, 9.8. von Daniel Wahl

So ergatterte der Schulverlag Plus einen lukrativen Auftrag, der wiederum millionenteure Weiterbildungsaufträge bei jenen Instituten auslöste, die die Einführung dieser unökologischen Einweglehrmittel befeuerten. Wie Bildungspolitiker Jürg Wiedemann (GU) an der gestrigen Pressekonferenz der Starken Schule beider Basel in Liestal ausführte, bescherten die neuen Englisch- und Französisch-Lehrmittel gegenüber ihren Vorgängern elfmal mehr Umsatz.

Schulverlag Plus und Klett und Balmer-Verlag sind beileibe nicht die einzigen Player, die an den zahlreichen Bildungsreformen Geld verdienen: Laut Wiedemann ist es ein «lukratives Dreigespann» von Reformbefürwortern, Bildungsinstituten und Privatindustrie, die sich «Aufträge zuschanzen und sich gegenseitig legitimieren». «Die Bildungsreformen sind zu einem millionenschweren Geschäft geworden, in dem Gewinnmaximierung, Deutungshoheit und Macht wichtiger geworden sind als möglichst gute Lernvoraussetzungen für die Schüler», sagt Wiedemann.

Zu den grossen Profiteuren gehöre insbesondere auch die Pädagogische Hochschule der FHNW, welche sich teure Forschungsaufträge aus öffentlichen Mitteln sichere und damit ihren Stellenetat rechtfertige. Dies gehe zulasten der Schule, der das Geld für andere Notwendigkeiten fehle.

Teuer und nicht praxistauglich
Seine Erkenntnisse kann Wiedemann locker mit weiteren Zahlen untermauern: am Beispiel von vier der Leistungschecks, die an den Volksschulen im Kanton Solothurn, Baselland, Basel-Stadt und Aargau durchgeführt werden. Inklusive Bereitstellen der Software und einer Aufgabensammlung kostete die Entwicklung der Checks 3,44 Millionen Franken. An den wiederkehrenden Kosten verdient das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich alleine am Kanton Baselland jährlich über eine halbe Million Franken. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer im Kanton Basel-Stadt hält die Checks für pädagogisch unsinnig: Mit 1818 zu 127 Stimmen verlangt sie die Abschaffung dieser Checks.

Zum Papiertiger wird auch der Lehrplan 21 im Kanton Baselland mutieren, wenn «Jahresziele» statt Kompetenzen als verbindlich eingeführt werden. Derweil haben rund 200 Personen sechs Millionen Franken Entwicklungskosten verursacht – die Weiter- und Umbildungskosten in den Kantonen sind darin nicht eingeschlossen.

Um Lehrer auf den Unterricht mit «New World» vorzubereiten, wurden sie im Baselland für 24 Halbtage aufgeboten. Die Einführung des Vorgängerlehrmittels «Ready for English» dauerte lediglich acht Stunden. Dass die jeweils von zwei Kursleitern erteilte Passepartout-Weiterbildung im Kanton Baselland durch Bildungsdirektorin Monica Gschwind auf 53 Stunden reduziert worden ist, freut Wiedemann, er bezeichnet es aber als immer noch überrissen.


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