22. August 2017

Klasse überspringen oder nicht?

Genau ein Jahr ist es her, dass wir zusammen mit unzähligen anderen Familien freudig-nervös vor dem Schulhaus standen: der erste Schultag unserer Tochter. Heute ist alles deutlich entspannter. Sie geht alleine hin, um in die zweite Klasse zu starten. Soweit, so normal. Doch beinahe wäre es anders gekommen und sie würde heute bereits zur Drittklässlerin werden.
Die Klasse überspringen oder nicht? Tages Anzeiger Mamablog, 21.8. von Jeanette Kuster


Ich traf mich nach dem ersten Halbjahr zum Elterngespräch mit der Lehrerin und diese hatte mir lauter Positives zu berichten, was die Leistung unserer Tochter anging: im Lesen und Schreiben weit voraus, das mathematische und logische Denken überdurchschnittlich entwickelt. Ich hörte ihr glücklich und voller Stolz zu und nahm an, das Gespräch ganz entspannt zu Ende führen zu können. Bis sie mir sagte, dass unser Kind aus all diesen Gründen die Klasse überspringen und schon jetzt in die zweite wechseln könne, wenn wir das möchten.

Es gibt vermutlich Eltern, die ab so einer Gelegenheit jubeln oder sie sogar selber vom Lehrer einfordern. Ich hingegen stehe dem Überspringen von Klassen eher skeptisch gegenüber und sah mich vor einer Frage stehen, auf die ich erst einmal keine Antwort wusste.

Was, wenn die Langeweile schulmüde macht?
Wir überlegten in den folgenden Wochen hin und her und ich redete mit etlichen Eltern und Verwandten über die Vor- und Nachteile eines solchen Schrittes. Viel schlauer wurde ich dadurch nicht, denn die Meinungen gehen enorm auseinander bei dem Thema. Mir selber bereiteten vor allem folgende Aspekte Kopfzerbrechen:

·         Ist es schlau, das Kind aus einer Klassengemeinschaft herauszunehmen, kaum hat es dort seinen Platz gefunden?
·         Apropos Klassengemeinschaft: Würde meine Tochter sich in der anderen, seit bald zwei Jahren existierenden Klasse leicht integrieren können?
·         Fehlt einem Kind nicht ein gewisser Basis-Schulstoff bei einem solchen Sprung gleich zu Beginn der Schulzeit?
·         Jetzt ist sie zwar weit voraus. Aber gleichen sich solche Unterschiede innerhalb von ein, zwei Jahren nicht sowieso aus
·         Eine Stufe höher wären alle anderen nicht nur älter, sondern ziemlich sicher auch grösser – würde es sie nicht nerven, fortan immer «die Kleine» zu sein?
·         Eventuell wird ihr trotz Spezialaufgaben früher oder später langweilig, wenn sie in der jetzigen Klasse bleibt. Was wenn die Langeweile ihr die Freude an der Schule verdirbt?
·         Eine Klasse zu überspringen, bedeutet auch, ein Jahr früher aus der Schule zu kommen. Ein Jahr weniger Kindheit. Will ich das wirklich für mein Kind?

Abwarten und vertagen
Am Ende haben wir uns gewissermassen fürs Abwarten entschieden: Wir haben sie in der ersten Klasse gelassen, das Thema aber nicht endgültig abgehakt. Von ihrer Lehrerin wird sie weiterhin mit Spezialaufgaben gefordert. Ausserdem wird sie ab diesem Schuljahr an «Pfiffika» teilnehmen, einem Förderprogramm der Schule. Sollten wir irgendwann merken, dass sie sich total unterfordert fühlt und sich anfängt zu langweilen, werden wir das Thema Klassenwechsel nochmals anschauen.

Bisher bin ich zufrieden mit unserer Lösung. Später wechseln kann sie immer noch. Und je älter sie wird, desto besser kann sie selber die Tragweite eines solchen Entscheids abschätzen und entsprechend mitreden.


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